Meister der Steine
Traditionelles Handwerk und modernste Computertechnik:
Steinmetze und Steinbildhauer vereinen beides auf einzigartige Weise.
Das Berufsbild des Steinmetzen umfasst die Bearbeitung von Naturstein, aber auch den Umgang mit neuen Werkstoff en wie Hightech-Keramik. Neben Handwerkzeugen gehört CNC-Technik zum täglichen Rüstzeug. Kreativen Köpfen stehen nach der Berufsausbildung viele spannende Wege bis hin zur Gründung eines eigenen Betriebes offen.
Bericht von bz | Fotos: BIV Steinmetze Richard Watzke
Den eigenen Weg gehen, Ideen umsetzen und sich dabei verwirklichen – davon träumen alle Berufseinsteiger. Damit diese Wünsche in Erfüllung gehen, müssen die Weichen bei der Berufswahl mit Bedacht gestellt werden. Spätestens am Ende der regulären Schulzeit steht die Entscheidung für den künftigen Berufsweg bevor, aber die zahlreichen Optionen machen viele junge Menschen ratlos. Sie haben alle ein Smartphone und Internet, aber noch immer dasselbe Problem, das die meisten in dem Alter umtreibt. Sie wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anstellen sollen. Ein Studium an der Universität oder Fachhochschule ist kein Garant für einen erfolgreichen Berufseinstieg, dies belegen die steigenden Zahlen an Studienabbrechern. Viele darunter bemängeln den geringen Praxisbezug und entscheiden sich stattdessen für eine klassische Berufsausbildung. Mit gutem Grund: Das duale System aus Ausbildungsbetrieb und Berufsschule im deutschsprachigen Raum ist ein Erfolgsmodell, um das uns nicht nur das europäische Ausland beneidet. Innerhalb der Lehrberufe sticht besonders das Natursteinhandwerk heraus. Absolventen einer Berufsausbildung zum Steinmetz oder Steinbildhauer verfügen über ein fundiertes Fachwissen und haben dank der demografi schen Entwicklung große Chancen, einen erfolgreichen und erfüllenden Lebensweg zu gehen. Handwerksgesellen und Gesellinnen werden auf dem Arbeitsmarkt immer begehrter und können sich künft ige Arbeitsstellen unter vielen Angeboten auswählen. Wer gerne sein eigener Herr ist, kann nach der Gesellenprüfung den Meistertitel anstreben. Damit steht einer Selbstständigkeit im eigenen Steinmetzbetrieb nichts im Wege.
GENERATION MAKER
Die Faszination des Selbermachens, des Aufbauens und Gestaltens ergreift in den letzten Jahren immer mehr junge Menschen. Als Gegenbewegung zur Konsumgesellschaft setzt die sogenannte Maker-Szene auf den kreativen Schaff ensprozess. Treibende Kraft für die rasant wachsende Maker-Szene ist der Stolz auf die eigene Leistung.
Steinmetze und Steinbildhauer können diese Befriedigung über das selbst geschaff ene Projekt gut nachvollziehen, denn sie schaffen bleibende und dauerhaft sichtbare Werte. Ausgangspunkt für jedes Projekt ist immer eine Idee oder ein Kundenauftrag, den es individuell umzusetzen gilt. So vielfältig wie der Werkstoff selbst sind auch die Projekte aus und mit Naturstein. Neben der Herstellung von Küchenarbeitsplatten zählt die Badgestaltung zu einem wichtigen Aufgabenbereich für Steinmetze, aber auch Kamine, Möbelstücke, Treppen oder die Gartengestaltung. Künstlerisch begabte Steinmetze und Bildhauer können aber auch Skulpturen entwerfen, in der Denkmalpflege und Restaurierung aktiv sein oder individuelle Grabmale schaffen.
Fotos: BIV Steinmetze / Richard Watzke
HANDWERK UND TECHNIK
Als Handwerker der Zukunft vertrauen Steinmetze nicht allein auf Muskelkraft, sondern auf Kreativität und Köpfchen. „Der Beruf hat viel mehr zu bieten, als man zunächst vermuten könnte: Er ist gefragt, facettenreich und steckt voller Kreativität. Steinmetze sind echte Gestalter, Erschaffer, Visionäre. Das Werk eines Steinmetzen ist von Dauer. Und genau damit setzt er ein großartiges Zeichen in unserer heutigen Zeit. Aller Schnelllebigkeit und Veränderung zum Trotz erschafft er Dinge, die Bestand haben. Dinge, die von realem Wert sind. Dinge für die Ewigkeit“, erklärt Gustav Treulieb, Bundesinnungsmeister im Bundesverband Deutscher Steinmetze.
Seit Herbst 2018 gilt im Steinmetzhandwerk eine neue Ausbildungsordnung. Deutlich aufgewertet wurden darin die Kompetenzen im Umgang mit Computer und Maschinen, der sogenannten CNC-Technik. Nachwuchskräfte des Handwerks werden somit früh an die computergesteuerte Fertigung herangeführt, die in vielen Betrieben mittlerweile Standard ist. Was für den Maker sein 3D-Drucker ist, sind für Steinmetze CNC-gesteuerte Maschinen, mit denen sie selbst die kompliziertesten Projekte millimetergenau bearbeiten. Arbeitgeber suchen genau nach solchen Fachkräft en, die fit in der handwerklichen und auch der maschinellen Steinbearbeitung sind.
HOHE WERTSCHÄTZUNG FÜR LEHRLINGE
Vorausschauende Unternehmen wie der Steinmetzbetrieb Braun in Essenbach bei Landshut bilden Nachwuchskräfte selbst aus. Seit zwei Jahren erlernt Lorenz Schraml bei Johannes Braun den Beruf des Steinmetzen. Nach dem Abitur folgte zum Hineinschnuppern zunächst ein Praktikum; nach wenigen Tagen stand der Entschluss für einen dreijährigen Lehrvertrag fest. Rückblickend bezeichnet Lorenz Schraml die Entscheidung für die Steinmetzausbildung als absolut richtig. Faszinierend ist vor allem der praktische und vielseitige Umgang mit den traditionellen Werkzeugen und dem natürlichen Werkstoff, erklärt der angehende Natursteinprofi. Seine Mitschüler an der Berufsschule teilen diese Begeisterung. Angesichts des knappen Berufsnachwuchses ist man sich der guten Perspektiven als Fachkraft bewusst und Angst vor computergesteuerten Maschinen hat niemand, im Gegenteil: Die moderne Technik wird nicht als Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz, sondern als Unterstützung und Arbeitserleichterung wahrgenommen. Tipps für Interessenten hat Schraml ebenfalls parat: Ideales Rüstzeug für Berufseinsteiger sind ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, Spaß am Zeichnen, Geduld und Durchhaltevermögen. Angst vor Arbeiten im Freien sollte man nicht haben und auch nicht zu pingelig sein. Damit ein Projekt gelingt, müssen die einzelnen Arbeitsschritte aufeinander aufbauen – wer gerne strukturiert denkt, wird sich auch bei komplizierten Projekten gut zurecht finden.
STEINMETZ IM BLUT
Die vielen Facetten des anspruchsvollen Steinhandwerks überzeugen immer mehr Frauen, Steinmetzin und Steinbildhauerin zu werden. Eine davon ist Sophia Maucher, die in einem Betrieb im Allgäu eine Steinmetzausbildung absolviert. Neben der Nachhaltigkeit des Erschaffenen schätzt sie am Steinmetzberuf vor allem, dass sie vom Entwurf auf dem Papier bis hin zum fertigen Werkstück alle Schritte selbst ausführen kann. Vor der Berufsausbildung studierte die angehende Steinmetzin Kommunikationsdesign. Nach einem Praxissemester war ihr allerdings klar, dass eine Bürotätigkeit für sie auf Dauer zu eintönig und kopflastig ist. Der Steinmetzberuf hingegen bietet eine perfekte Balance zwischen Denkarbeit und körperlicher Arbeit: „Wenn man nach einem anstrengenden Tag sieht, was man mit den eigenen Händen geschaffen hat, ist dies sehr erfüllend“, erklärt sie. Als Frau im Steinmetzhandwerk sieht sie viele Perspektiven und keinerlei Einschränkungen. Modern ausgestattete Werkstätten verfügen über Werkzeuge und Geräte, die das Heben schwerer Lasten erleichtern. Heutzutage kann man den Beruf unabhängig vom Geschlecht in gleicher Qualität ausüben. Die Erfolge von Steinmetzinnen bei Berufswettkämpfen zeigen, dass Frauen mit einem Gespür für Formen und kreative Ideen männliche Kollegen häufig übertreffen. Bei der Entscheidung für den zukünftigen Berufsweg lohnt es sich also für junge Frauen und Männer gleichermaßen, bei einem Steinmetz in die Werkstatt „hineinzuschnuppern“.