DIE „ANWÄLTE“ DER KUNSTWERKE UND KULTURGÜTER

 

Ob Gemälde, Möbel, Textilien, archäologische und ethnologische Gegenstände oder technische Kulturgüter: Restauratoren schützen und bewahren Kunstwerke und Kulturgüter für die Nachwelt. Dabei ist das Tätigkeitsfeld sehr komplex und setzt ein umfassendes Hochschulstudium voraus, das durch ein Vorpraktikum und ein Volontariat ergänzt wird.

Mit Lupe und Wattestäbchen stundenlang über ein Bild gebeugt, um es zu säubern und in „neuem Glanz“ erstrahlen zu lassen: „Das ist eine Klischee-Vorstellung“, so Dr. Felix Muhle von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, der im Residenzschloss Ludwigsburg als Restaurator für Gemälde und gefasste Objekte verantwortlich ist. Natürlich brauche man Geduld und Ausdauer und restauriere auch Gemälde, aber das allein habe „mit der beruflichen Realität nur wenig zu tun“, so der Experte. Denn das Leistungsspektrum der Restauratoren ist sehr komplex und auch immer anspruchsvoller geworden. Neben der eigentlichen Restaurierung, Konservierung und Rekonstruktion am Objekt geht es auch darum, organisatorische Konzepte zu erstellen, die den Erhalt des Werkes oder des Objekts sichern. „Jedes Objekt ist verschieden und hat seine eigene Problematik, da gibt es keine Patentlösungen“, erläutert Felix Muhle. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich mit dem Erhalt und Schutz wertvoller Gemälde. Sein Arbeitsfeld ist so vielfältig wie die Kunstwerke, die das Schloss beherbergt. Forschung, Dokumentation, Ausschreibungen an freiberufliche Restauratoren, Organisation mit Ämtern gehören ebenfalls zum Leistungsspektrum dazu.

Für die aus Kolumbien stammende Wissenschaftliche Volontärin Natalia Borda war die Arbeit mit Kunstwerken schon immer ihr Traumberuf. In ihrem Heimatland hat sie Bildende Kunst studiert, dann ihre Ausbildung in München und Hildesheim fortgesetzt. „Ich wollte immer hinter die Kulissen schauen und trotzdem mit Kunst zu tun haben“, beschreibt Natalia Borda ihre Motivation. Gerade restauriert sie das Bildnis eines Hasen, eine Kopie von Albrecht Dürer, entstanden 1670 in Nürnberg und seit 1705 im Besitz des Ludwigsburger Schlosses. Mit Infrarotund UV-Untersuchungen kommt man der Inventarnummer unter den Farbschichten auf die Spur, eine wertvolle Hilfe, um das Alter des Kunstwerks zu bestimmen. Die Firnisse, die das Bild nach und nach dunkler gemacht haben, werden vorsichtig Schicht für Schicht abgenommen. Dafür braucht es nicht nur Fingerspitzengefühl und manuelles Geschick, sondern auch naturwissenschaftliche Kenntnisse in Chemie und Physik, um mit Lösungsmitteln und den richtigen Maßnahmen das Bild fachgerecht zu restaurieren. Immer muss man sich auch fragen: Was ist original, was ist schon restauriert, was ist reversibel, was kann man konservieren? Es gehe nicht nur darum, das historisch Wertvolle freizulegen, sondern auch so wenig wie möglich am Objekt zu zerstören.

PRÄVENTIVE KONSERVIERUNG IMMER WICHTIGER

Zunehmend spielt die präventive Konservierung eine große Rolle. Für die ist Annemie Danz zuständig im Ludwigsburger Residenzschloss. Die präventive Konservierung umfasst die Bedingungen, unter denen ein Kunstwerk vor Schaden und dem weiteren Verfall geschützt werden kann. Dazu gehören zum Beispiel das Klima im Depot, konstante Temperatur- und Feuchtigkeitswerte in Ausstellungsräumen und konservatorisch adäquate Lichtverhältnisse. „Man muss neugierig und kreativ sein und einen anderen Blick auf die Dinge haben“, so Annemie Danz. Nimmt man zum Beispiel den Ordenssaal im Schloss, in dem viele Konzerte stattfinden, wird schnell klar, um was es geht. „Der Ordenssaal ist ja damals nicht für die heutige Nutzung erbaut worden“, erklärt Annemie Danz. „Bei so vielen Menschen im Raum braucht es gut durchdachte Lüftungskonzepte, damit die vorhandenen Inneneinrichtungen keinen Schaden nehmen.“ Oft seien es schon Kleinigkeiten, die die wertvollen Kunstwerke schützen können. Aufgeschnittene Tennisbälle für die Stativfüße von Kameras sollen Kratzer auf dem wertvollen Bodenbelag verhindern, ebenso die Silikonüberzieher für die Absätze von Brautschuhen.
Auch die Überwachung von Schädlingen gehört zu den Präventivmaßnahmen. So werden im historischen Schlosstheater Klebefallen für Kleidermotten ausgelegt und alle sechs Wochen kontrolliert. Anhand der Menge lässt sich feststellen, wie gravierend der Befall ist, und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die edlen Stoffe und Hölzer zu schützen.

 

BEWAHRER UND BESCHÜTZER

Restaurieren, so die Experten aus dem Ludwigsburger Schloss, heiße eben nicht: alles neu machen. Das sei ein Irrglaube in den Köpfen der Leute. Vielmehr sei es auch immer eine Frage der Ethik und der eigenen Entscheidungskompetenz. Ein geschultes künstlerisches Einfühlungsvermögen sei ebenso wichtig wie detaillierte Kenntnisse zur Kulturgeschichte und den verschiedenen Objektgattungen. Anstellungen für studierte Restauratoren gibt es in Museen, in der Denkmalpflege, in Archiven und Bibliotheken. Neben dem Studium gibt es auch Restauratoren im Handwerk, wie zum Beispiel Zimmerer, die sich mit zusätzlichen Ausbildungen spezialisiert haben. Jedes Jahr findet am dritten Sonntag im Oktober der Europäische Tag der Restaurierung statt, an dem Interessenten einen Blick hinter die Kulissen der Restauratoren werfen können. Für Annemie Danz, Felix Muhle und Natalia Borda ist ihr Beruf perfekt: „Wir sehen uns als die Anwälte der Kunstwerke“, so Annemie Danz. „Als Bewahrer und Beschützer unseres kulturellen Erbes.“

Text: Bettina Nowakowski, Fotos: Oliver Bürkle.