EIN MEISTER AM FALZBEIN MIT DEM HÄNDCHEN FÜR PAPIER:
Früher Buchbinder,
heute Medientechnologe.
Bericht von Inga Stoll | Fotos: Helmut Pangerl
Hammer, Kelle, Schere: Welches Werkzeug gehört zu welchem Traditionsberuf?
Ganz einfach: Zimmermann, Maurer, Schneider. Ein Stethoskop ist auch leicht zuzuordnen, und den Leisten kennt man vom Sprichwort „Schuster, bleib bei deinem Leisten“. Aber was ein Falzbein ist, weiß kaum jemand. Dabei gibt es dieses Werkzeug schon sehr lange. Und trotz Fortschritt, Digitalisierung und hochtechnisierter Maschinen wird es heute noch verwendet: von allen, die einen Beruf ausüben, der früher Buchbinder hieß und sich heute Medientechnologe nennt. Zum Beispiel von Shpresim Bajraktari aus Bietigheim.
Schon als Kind untersuchte der heute 17 Jährige alle Bücher, Flyer und Broschüren, die er in die Hände kriegte, weil er wissen wollte, wie die Seiten zusammenhalten, wie sie gefaltet und gefalzt sind. Und dieses Interesse hat er nie verloren – im Gegenteil: dank Youtube und Co. stieg er noch tiefer in die Geheimnisse der Druckweiterverarbeitung ein. Nach einem Praktikum bei der Druck- und Verlagsgesellschaft Bietigheim war klar: Das will ich machen. Und noch bevor er seinen Hauptschulabschluss in der Tasche hatte, bewarb er sich im selben Unternehmen für eine Ausbildung als „Medientechnologe Druckverarbeitung“.
„Die Bezeichnung ist im Grunde eine Zusammenführung mehrerer Berufe“,
erklärt Thomas Kiefer, der Ausbilder von Shpresim. Bei ihm ist der 17 Jährige in guten Händen: Thomas Kiefer ist gelernter Industriebuchbinder und bildet seit 1983 als Handwerksbuchbindermeister junge Leute in diesem Beruf aus. Drei Jahre dauert die Ausbildung – „mit zweimal drei Wochen und einmal zwei Wochen Blockunterricht in der Berufsschule pro Jahr“, fügt Thomas Kiefer hinzu. Die Zukunft saussichten sind gut: „Nachwuchs ist sehr gefragt“, weiß der Buchbindermeister, Arbeitslose gäbe es nicht in der Branche.
Ein gutes halbes Jahr hat Shpresim jetzt hinter sich. Wie fällt seine erste kleine Zwischenbilanz aus? Was gefällt ihm besonders? „Ich mag die Vielseitigkeit und die Abwechslung“, sagt er, „jeder Tag ist anders und bringt neue Erfahrungen. Und die Ausbildungsvergütung in der Branche kann sich auch blicken lassen“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Und was gefällt ihm nicht so sehr? „Die Pingeligkeit meines Meisters!“, scherzt er und grinst seinen Ausbilder an, der ebenfalls lacht, „aber pingelig muss man halt sein in diesem Beruf.“
In der Tat gehören neben einem Hauptschulabschluss vor allem Genauigkeit und Fingerspitzengefühl zu den Grundvoraussetzungen für eine Ausbildung zum Medientechnologen, ebenso ein Gefühl für Zahlen, mechanisches Verständnis und Beweglichkeit – schließlich ist man ziemlich viel auf den Beinen.
Was rät der Azubi jungen Leuten, die diesen Beruf ergreifen wollen? „Man sollte Leidenschaft für den Beruf haben – und vor allem ein Händchen für Papier“, sagt der 17-Jährige. Produkte aus Papier sind schließlich das tägliche Brot von Shpresim Bajaktari und Thomas Kiefer: Flyer, Broschüren, Landkarten, Gebrauchsanleitungen, Blöcke, Visitenkarten, Postkarten, manchmal auch Bücher – und sehr oft auch hochwertige Imagebroschüren – mit Folie kaschiert und farbiger Heißprägung.
Es geht ums Falzen, Schneiden, Heften, Stückzahlen und Maße berechnen: das alles und einiges mehr gehört zum Beruf von Thomas Kiefer und Sphresim Bajaktari – bei dem dann manchmal auch, neben all den vielen Maschinen, hin und wieder auch das Falzbein zum Einsatz kommt – das Traditionswerkzeug der Buchbinderzunft.
Text: Inga Stoll | Fotos: Helmut Panger