MASKENBILDNER/-IN

BERUFSWUNSCH: „MONSTERBAUER“ BEIM FILM

Bericht von Bettina Nowakowski | Fotos: Martin Kalb

Tim Scheidig hat bereits in vielen Filmen als Maskenbildner gearbeitet und wurde auch schon mehrfach ausgezeichnet.

Die Kunst des Schminkens und Verwandelns beim Film und im Fernsehen, im Theater und an der Oper liegt in den Händen der Maskenbildner/-innen. Sie verwandeln das Aussehen der Schauspieler buchstäblich mit Haut und Haaren. Wenn es um Fantasieköpfe, realistische Wunden, Verbrennungen, Organe oder modellierte Dummys geht, kommt das SFX Maskenbild mit Special Effects zum Einsatz.

Das Studio von Tim Scheidig in Neckarwestheim ist bis unter die Decke gefüllt mit fantasievollen Masken von Aliens, Perücken, Bärten, naturgetreuen Organen aus Silikon, einem ausgeschäumten Torso, Beine und Arme in allen Varianten. Hier taucht man ein in die Produktion der „Verwandlungskünstler“ bzw. der Maskenbildner. „Ich habe immer schon gewusst, dass ich Maskenbildner werden will“, erzählt Tim Scheidig.

Den ersten Film, den er sich als Kind nachts heimlich im Fernsehen angesehen hat, war „Chucky – Die Mörderpuppe“. Danach hätte er zwar Alpträume gehabt, aber seinem Vater klar gesagt: „Ich will Monsterbauer beim Film werden.“

Nach dem Besuch einer Privatschule für Maskenbildner ging er unter anderem nach England, um in verschiedenen Workshops alles über Spezialeffekte zu lernen. So konnte er auch an Projekten wie der englischen Erfolgsserie „Dr. Who“ mitarbeiten. Weiteres Wissen hat sich der junge Maskenexperte online bei den Masken-Profis aus Hollywood beigebracht. „Man muss sich in diesem Beruf permanent weiterbilden“, weiß Tim Scheidig. Alles, was unter Special-Effects läuft, sind Einzelanfertigungen: „Das ist nichts, was man fertig kaufen kann.“ Aber genau das sei das Coole an dem Job: „Jeder Auftrag ist eine neue Aufgabe, man fängt immer wieder bei Null an.“

Künstliche Organe für den Dreh im OP-Saal, wie zum Beispiel für die ZDF-Serie „Die jungen Ärzte“, gehören genauso zu den Aufträgen wie anatomische Objekte für einen polnischen Auftraggeber, der anhand vom menschlichen Torso die Verletzungen und ihre Behandlungsmöglichkeiten naturgetreu für Erste-Hilfe-Kurse zeigen möchte. Seine Objekte entwirft und modelliert Tim Scheidig am Computer, ausgedruckt werden sie mit einem 3D-Drucker.

OFT DIE „PSYCHOLOGEN“ AM SET

Für Tim Scheidig ist nicht die Theorie oder der Ausbildungsweg entscheidend gewesen. „Man muss früh in die Filmbranche kommen, Beziehungen sind das A und O“, so seine Erfahrung. Und man brauche auf jeden Fall ein Gefühl für Form- und Farbgestaltung, Geduld, Ausdauer, Belastbarkeit, Flexibilität und Improvisationsvermögen. Besonders wichtig ist auch das Einfühlungsvermögen im Umgang mit Schauspielerinnen und Schauspielern. „Maskenbildner sind oft so etwas wie die Psychologen am Filmset“, erklärt Tim Scheidig. Die Maske ist der einzige ruhige Ort an dem ansonsten hektischen und wuseligen Drehort, hier reden die Akteure auch mal über Persönliches. „Wir sind schon mit dafür verantwortlich, ob ein Schauspieler entspannt aus der Maske kommt und der Tag dann gut läuft.“ Sehr wichtig ist bei der menschlichen Nähe auch Körperhygiene und die Fähigkeit, gut im Team arbeiten zu können. „Als Maskenbildner machst Du nichts alleine.“

Das fängt bereits mit den Vorgaben des Drehbuchs an, denen die Entwicklung von Modellen, plastischen Arbeiten und Masken in ständiger Absprache mit der Regie folgen, bis die Charaktere stimmen. Dabei kommt es oft auf Feinheiten an. In dem gerade aktuell abgedrehten österreichischen Film „Der Fuchs“, der im Zweiten Weltkrieg spielt, aber auch große Zeitsprünge beinhaltet, hat der Kinderdarsteller eine Narbe im Gesicht, die dem erwachsenen Darsteller auch reingeschminkt werden muss. Zu den Special-Effects zählen hier viele Verwundungen, auch verbrannte Leichen, alles Aufgaben für den Chefmaskenbildner Tim Scheidig.

Auch Bärte entstehen in Eigenproduktion

Seine Haupttätigkeit liegt bei der Arbeit in Kinofilmen, vor allem in den Bereichen Special-Effects. Für seine maskenbildnerische Arbeit am Film „Die Beste aller Welten“ von Adrian Goiginger wurde Tim Scheidig 2018 für den österreichischen Filmpreis nominiert. Seine Filmografie ist lang, die Liste seiner Auszeichnungen ebenfalls. Außerdem wirkte und wirkt Tim Scheidig an vielen Werbespots, Kurzfilmen, Musikvideos und Dokumentarfilmen maskenbildnerisch mit und ist als Gastdozent an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg tätig. Wie in vielen kreativen Branchen hat man auch hier damit zu kämpfen, dass es zu viele Maskenbildner und zu wenig gute Bezahlung gibt. Kommt dazu, dass es o› Konkurrenz von Visagisten und Make-up-Artists gibt. Der Beruf der Visagisten und Make-up-Artist ist aber nicht mit dem Beruf der Maskenbildner/- in gleichzusetzen. Visagisten und Make-up-Artists sorgen eher für das dekorative Make-up und Styling beispielsweise bei Foto-Shootings in der Werbung. Maskenbildner/-innen müssen dagegen ein wesentlich umfangreicheres Fachwissen haben und auch eine künstlerisch-handwerkliche Begabung.

KREATIVE IDEEN AUS DER NATUR

Kreative Ideen für seine Maskenschöpfungen findet Tim Scheidig in der Tier- und Pflanzenwelt. So dient die Struktur von Blättern als Vorlage für das Aussehen von Aliens oder eine Orangenschale als Abdruck für die Hautfalten einer Greisin. Gern würde er natürlich auch einmal bei einem Hollywood-Blockbuster als Maskenbildner mitwirken. „Schon allein, weil man dort ein anderes Budget hat und nicht so aufs Geld achten muss wie in Europa.“

Auch, wenn er viel in Europa und der Welt herumkommt, weiß Tim Scheidig, dass es ein Job ist, bei dem das Privatleben auf der Strecke bleiben kann. „Ich bin oft wochenlang von zu Hause fort“, so der Vater einer elfmonatigen Tochter. „Man muss den Job lieben und sich sicher sein, dass man diesen Job auch machen will“, erklärt Tim Scheidig. Für ihn ist jedenfalls aus dem kindlichen Berufswunsch der Traumberuf geworden. „Ich komme an Orte, wo man sonst gar nicht hinkommt und lerne Menschen kennen, denen man so nie begegnen würde“, freut sich der Verwandlungskünstler.

Die naturgetreue Darstellung von menschlichen Organen gehört auch zu den Aufgaben eines Maskenbildners.