Jeder kleine Erfolg ist ein Schritt nach vorn

Text: Bettina Nowakowski, Fotos: Oliver Bürkle

„Dieser Beruf erfüllt mein Herz“, so die Logopädin Madeleine Reimer über ihre Tätigkeit. Sie hilft Menschen jeden Alters, deren Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck-, Kommunikations- oder Hörfähigkeit beeinträchtigt ist.

Ob stotterndes Kind oder ein Erwachsener, der gerade einen Schlaganfall hinter sich hat: Logopäden behandeln alle Störungsbilder, die mit Sprache zu tun haben. Die Ausbildung dauert drei Jahre, das Studium dreieinhalb Jahre. Neben den staatlichen Schulen, bei denen auf die wenigen Ausbildungsplätze Hunderte von Bewerbungen kommen, entscheiden sich viele angehende Logopäden für Privatschulen.

Ein teures Vergnügen: „Mein Studium hat 35 000 Euro gekostet“, so Miriam Ketzler, die seit 2021 im Reha-Zentrum Hess in Bietigheim-Bissingen arbeitet und dort die Abteilung Logopädie leitet. Bereut hat sie diese Entscheidung allerdings nie. „Ich liebe meinen Beruf und lebe dafür“, so die 27-Jährige. „Das gibt einem unfassbar viel, wenn man zum Beispiel erlebt, das ein Patient wieder richtig schlucken oder etwas richtig aussprechen kann.“ Ihre 26-jährige Kollegin Madeleine Reimer, die seit letztem Jahr im Team von Reha Hess ist, stimmt ihr zu: „Der Beruf ist so abwechslungsreich und erfüllend, da erlebt man die ganze Bandbreite an Emotionen, von Kindern bis zu Erwachsenen.“

Empathie ist die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie

Jeder Patient brauche eine individuelle, auf seine Störung angepasste Therapie. Dabei kommt es nicht nur auf die medizinische Fachkompetenz an, sondern es braucht auch viel Empathie für den Patienten. „Man baut ein Vertrauensverhältnis auf“, erklärt Miriam Ketzler. Wenn das nicht passt, klappt auch die Therapie nicht. Dabei müsse man allerdings auch klare Grenzen ziehen. Zwar sei man ein wichtiger Wegbegleiter im Leben eines Patienten, aber eben nicht sein Therapeut. Es gebe immer Patienten, deren Krankheitsgeschichte einem unter die Haut gehe, aber man könne nicht alles mit nach Hause nehmen.

Deshalb gehört auch unter den Mitarbeitern viel Reflexion dazu, um den Abstand zu wahren und gleichzeitig das Bestmögliche für den Patienten zu bewirken. „Man muss schon innerlich sehr gefestigt sein“, so Miriam Ketzler. Bei Kindern gelinge das leichter als bei Erwachsenen, die mehr emotionalen Ballast mitbringen. Motivator, Vertrauensperson und logopädische Kompetenz für das jeweilige Störungsbild sind die Grundlagen für eine erfolgreiche Therapie. Das familiäre Umfeld spielt auch eine wichtige Rolle. Bei Kindern sind die Erfolgserlebnisse oft direkter und schneller, da die Eltern sozusagen als „Co-Therapeuten“ helfen.

Bei Erwachsenen kommt es auf die jeweilige Situation an, ob Angehörige mit einbezogen werden können oder nicht. Nicht immer gehe es um eine komplette Heilung, sondern darum, den jeweiligen Status so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dies trifft zum Beispiel bei Demenzpatienten mit Sprachstörungen zu. Nach einem Schlaganfall kann es durchaus eine Verbesserung geben, aber nicht immer. Trotzdem ist jeder kleine Erfolg ein großer Schritt nach vorn.

Mehr Anerkennung für das Berufsbild

„Ich finde es schön, im Team zu arbeiten“, so Madeleine Reimer. „Wir ergänzen uns hier sehr gut.“ Sie findet zum Beispiel die Arbeit mit Stotterern sehr interessant. Inzwischen gebe es deutlich mehr Patienten mit Schlaganfällen oder mehr Kinder mit Sprachschwierigkeiten aus der Corona-Generation. Die Wartelisten sind oft sehr lang. Es fehle an Fachkräften, was wiederum daran läge, dass die Ausbildung größtenteils privat finanziert werden muss. Da sei man in anderen Ländern deutlich weiter, wo Logopäden das gleiche Ansehen wie Ärzte genießen. „Der Beruf gehört in Deutschland viel, viel mehr unterstützt“, wünscht sich Miriam Ketzler.

Beide Logopädinnen empfehlen Interessenten, auf jeden Fall ein Praktikum zu machen und zu schauen, ob der Beruf einen anspricht. „Es ist ein unfassbar wandlungsfähiger Beruf, bei dem man so viel zurückbekommt“, freut sich Miriam Ketzler. Und Madeleine Reimer ergänzt: „Für mich ist das jeden Tag wie ein bunter Blumenstrauß, den man so woanders im Arbeitsleben wohl nicht noch einmal findet.“

Weitere Infos unter: www.reha-hess.de